Donnerstag, 31. Januar 2013

Offener Brief

Im Folgenden soll ein offener Brief an die Entscheidungsträger der Stadt Jena veröffentlicht werden:


Sehr geehrte Entscheidungsträger der Stadt Jena,

wir möchten mit einem Anliegen an Sie herantreten, welches weite Teile der Fans des FC Carl Zeiss Jena und der Stadionbesucher des Ernst Abbe Sportfelds seit 2009 beschäftigt.
Im Oktober 2009 wurde die sogenannte „Zeisslinse“ vom Stadionturm hinter dem Marathontor in der Nordkurve abmontiert, und wäre wohl im Müll gelandet. Bei der Linse handelt es sich um eine Doppellinse, das Warensymbol der Firma Carl Zeiss Jena. Der Linsenrahmen des ehemaligen Firmenzeichens ist nach dem Hinterglied des berühmten Tessar-Photoobjektivs geformt. 1902 hat ihn der damalige Leiter der Patentabteilung von Carl Zeiss, Emil Dönitz, entworfen. Den Schriftzug gestaltete vermutlich der Maler Erich Kuithan, der seit 1903 in Jena lebte. Im Mai 1904 wurde das Warenzeichen beim Reichspatentamt angemeldet und im Juni in die Warenzeichenrolle eingetragen.
Die Doppellinse ist zudem Bestandteil einiger historischer und des aktuellen Vereinsemblems des Fußballclubs bzw. seiner Vorgängervereine.
Wenn wir durch das großflächig angelegte Stadiongelände des Ernst-Abbe-Sportfeldes schauen, habe wir uns schon des Öfteren gefragt, was unser Stadion eigentlich zu etwas Einzigartigen, etwas ganz Besonderen macht. Nun gibt es sicherlich Stadien, bei denen die Bauweise mehr zu einer „Hexenkessel“-Stimmung beiträgt oder keine störenden Laufbahnen eine „natürliche“ Distanz zum Geschehen auf dem Spielfeld hervorrufen. Und dennoch - so denken wir uns - dennoch gibt es einige Punkte im Stadion, welche gerade unser Ernst Abbe Sportfeld einzigartig machen! Neben den bereits fest in das Stadtbild und seiner Silhouette eingebrannten 70m hohen Flutlichtmasten sind es besonders die Stellen im Stadion, welche schon ewig, seit Jahrzehnten dort stehen. Fixe Punkte, welche ein fester Teil der Geschichte unseres Vereins und seiner Spielstätte geworden sind.
Verfolgt man den Gedanken weiter, kommt man zwangsläufig am alten Holzturm hinter der Nordkurve nicht vorbei. Wie ein großer Wächter steht dieses Gebäude für Tradition und war Zeitzeuge der ganz großen sportlichen Schlachten, die im Ernst Abbe Sportfeld geschlagen wurden. Und noch immer schaut dieser Holzturm durch das Marathontor herab auf das, was sich im heutigen Fußball so alles abspielt.

Seit dem Jahr 1965 befindet sich am traditionsreichen Turm hinter dem Marathontor im Ernst Abbe Sportfeld eine in Übergröße gefertigte solche Doppellinse. Diese Linse war seit der Anbringung fester und ständiger Bestandteil des Stadionturms und macht nicht zuletzt die besondere, charismatische Strahlkraft dieses Turms aus.

„Mit der Demontage dieser Linse wurde dem Ernst Abbe Sportfeld und dem FC Carl Zeiss Jena ein Stück Geschichte geraubt.“ 
„Ein Denkmal, und wenn auch nur im emotionalen Sinne, wird nicht einfach demontiert und verunstaltet. Ein Denkmal sollte gepflegt werden und wenn es durch seine lange Historie von äußeren Einflüssen angegriffen ist, dann ist es sorgfältig zu restaurieren!“

Solche und ähnliche Kommentare konnte man nach der Demontage der Linse im Jahr 2009 von großen Teilen der Fanszene des FCC hören. Glücklicherweise konnte Mannschaftsleiter Uwe Dern sich der 3,50m breiten und 1,60m hohen Linse annehmen, und „rettete“ diese vor der Entsorgung. Seit diesem Zeitpunkt nahm sich die Bürgerinitiative „Unser Stadion“ der Linse an. Die Linse befand sich in der Tat in einem sehr schlechten, baufälligen Zustand, welcher die vorläufige Demontage vom Holzturm durchaus rechtfertigte.

So wuchs der Wunsch in der Bürgerinitiative, die Linse selbst zu restaurieren und man fand mit der Bauschlosserei Franke aus Jena einen lokalen Unterstützer dieser Pläne. 
In speziellen Aktionen und einer aufwändigen Spendensammlung, welche sich über 2 Jahre hinzog, konnten die zahlreichen Fans und Gönner letztlich die finanziellen Mittel im fünfstelligen Bereich aufbringen. Anfang dieses Jahres konnte die Restauration begonnen werden. In für uns beeindruckender Geschwindigkeit schritt die Erneuerung voran. Die Rückwand wurde komplett saniert. Das Innenleben, also die Buchstaben, wurden abgeschliffen und die gesamte Linse wurde neu lackiert und mit Witterungsschutzanstrich versehen. Zudem wurde auch die Elektrik erneuert, sodass die restaurierte Linse auch wieder, wie einst, leuchtet.


Die fertig restaurierte Linse wird erstmals ab 15. Februar im Jenaer Stadtmuseum zur Ausstellung „Eine Liebe im Osten - Fußball in Jena“ zu bestaunen sein. Diese Ausstellung läuft bis zum 5.Mai 2013.

Am 13. Mai 1903 wurde der „Fußballklub der Firma Carl Zeiß Jena“ gegründet. Der „FCC“ begeht aus diesem Anlass in diesem Jahr Feierlichkeiten anlässlich des 110. Gründungsjubiläums. Ein Jubiläum, welches bundesweit oder gar regional nur ganz wenige Vereine aufweisen können.
Wir möchten sie daher bitten, sich dafür einzusetzen, dass die vollständig restaurierte „Zeisslinse“ zurück an ihren historisch angestammten Platz am Stadionturm kommt. Dies wäre der einzige Platz, welcher der Bedeutung der Linse für das Stadion und den Fußballclub gerecht wird. Die Linse am Stadionturm ist das heimliche Wahrzeichen des Ernst Abbe Sportfelds. Mit diesem historischen Fixpunkt sind unzählige Emotionen verbunden, was nicht zuletzt die Spendenbereitschaft der zahlreichen Fans unter Beweis stellt. Diese Linse ist ein wahres Symbol dieser Stadt!

Wir unterstützen das Stadtmuseum bei der sicherlich sehr sehenswerten Ausstellung zum Fußball in unserer Stadt und würden uns sehr freuen, wenn es uns gemeinsam gelingt, die Linse nach der Ausstellung im Sommer wieder am Turm zu montieren und feierlich dort neu einzuweihen.

Wir verbleiben mit blau gelb weißen Grüßen und freuen uns von Ihnen zu hören,

Bürgerinitiative Unser Stadion

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